"Peak Oil" und das Ende der Marijuana-Verschwörung
- Details
- Kategorie: Wirtschaft Wirtschaft
- Veröffentlicht: 27. Dezember 2010 27. Dezember 2010
- Erstellt: 27. Dezember 2010 27. Dezember 2010
Über das Ende des Ölzeitalters, die Visionen der Autopioniere Diesel und Ford und die Wiederkehr des Universalrohstoffs Hanf.
Von Mathias Bröckers
Rudolf Diesel und Henry Ford sind die vielleicht bedeutendsten Pioniere in der Geschichte des Automobils - letzterer vor allem mit seinen Leistungen in der industriellen Fertigung und Diesel wegen des bis heute nach ihm benannten Motors. Doch mit ihren entscheidenden Visionen konnten sich die beiden Pioniere in ihrer Zeit nicht durchsetzen: der Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Angesichts explodierender Rohölpreise und der Aussicht, dass die globale Produktion ihren "Peak" erreicht hat - und von nun an die Fördermengen tendeziell nur noch abwärts und die Preise aufwärts gehen - sind ihre Pläne jetzt wieder hochaktuell. Und damit auch wieder ein lange vergessener und verbotener Biorohstoff: Hanf.
- Kraftstoff aus Biomasse
- Kraftstoff aus Biomasse - 20% des gesamten Verbrauchs in Deutschland könnte allein aus Landwirtschafts- und Waldabfällen gewonnen werden. Energiepflanzen wie Hanf bringen pro Hektar weitere 3000-4000 Liter und mehr. Etwa 2 Millionen Hektar stillgelegter Flächen kämen für den Anbau in Frage. So könnten insgesamt 50% des gesamten Kraftstoffverbrauchs einschließlich Luftfahrt aus Biomasse geerntet werden.
Bild: Daimler-Chrysler
"Der Gebrauch von Pflanzenöl als Kraftstoff mag heute unbedeutend sein. Aber derartige Produkte können im Laufe der Zeit ebenso wichtig werden wie Petroleum und die Kohle-Teer-Produkte von heute," hieß es 1912 in einer der Patentschriften Rudolf Diesels, was deutlich die Intentionen des genialen Erfinders widerspiegelt. Zwanzig Jahre zuvor hatte der das erste Patent für seinen "selbstzündenden" Motor erhalten, und die ersten Modelle wurden von Erdnußöl, Petroleum und bald darauf auch von Rohöl angetrieben und waren aus Schiffen, Lokomotiven, Lastwagen und Personenautos bald nicht mehr wegzudenken. Bis Rudolf Diesel 1913 bei einer Schiffsüberfahrt zur "Consolidated Diesel Manufacturing Ltd." London im Ärmelkanal unter ungeklärten Umständen ums Leben kann, hatte er unter anderem daran gearbeitet, seine Motoren für den Pflanzenölgebrauch zu optimieren - was zu der Verschwörungsthese [http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Diesel] geführt hat, dass er von der Erdölindustrie beseitigt wurde, beziehungsweise von Agenten Kaiser Wilhelms, die verhindern wollten, dass Diesel seine neuen Ideen dem "Feind" verriet. Wie auch immer, Fakt ist, dass seit Diesels Tod der Antrieb der nach ihm benannten Motoren nahezu ausschließlich mit fossilem Öl erfolgt; auch den Weiterentwicklungen von Nachfolgern wie Ludwig Elsbett [http://www.elsbett.com/deu/zeitreise.htm] , die weiter auf das Bio-Öl setzten, ist bis heute kein echter Durchbruch gelungen. Das mag damit zusammenhängen, dass zu den wichtigsten Großaktionären der Automobilindustrie schon immer die Mineralölindustrie zählte, die verständlicherweise wenig Interesse an einem Pflanzenölmotor hat: jede Bauerngenossenschaft, die Raps, Sonnenblumen oder Hanf anbaut, könnte dann einfach eine Tankstelle aufmachen. Einzige technische Voraussetzung wäre eine simple und billige Ölpresse, sowie an Pflanzenöl angepaßte Motoren, wie sie Diesel ursprünglich vorschwebten, doch bis heute nur von Kleinfirmen wie Elsbett[http://www.elsbett.com/] angeboten werden. Der "Bio-Diesel", den die Mineralölindustrie mittlerweile verkauft, geht denn auch den genau umgekehrten Weg: statt den Motor an Pflanzenöl anzupassen, wird das Pflanzenöl in einem energieaufwendigen chemischen Verfahren zu Methylesther umgewandelt, um es an die auf Mineralöl getrimmten aktuellen Dieselmotoren anzupassen. Die dazu notwendigen kapitalaufwendigen Anlagen sorgen dafür, dass auch "Beyond Petroleum" - so der neue Öko-Slogan von BP - der Markt unter Kontrolle der Großindustrie bleibt.
- Spitzenreiter Hanf
- Durchschnittserträge eines mehrjährigen Versuchs zur umweltverträglichen und energieeffizienten Energiepflanzenproduktion, Agrarinstitut Bornim
Bild: www.inaro.org
Das Auto, das vom Acker wächst
Auch Henry Ford hatte weitreichende Ideen was die Zukunft des Autobaus [http://www.chanvre-info.ch/info/de/...] betrifft; er experimentierte seit 1910 mit nachwachsenden Rohstoffen und ihrer Verarbeitung zu Kunststoffen, wobei er vor allem auf Hanf und Soja setzte. Letzteren baute er auf seiner großen Versuchsfarm in Michigan auch noch an, als mit dem "Marijuana Tax Act" von 1937 der Anbau der "Mörderdroge"[http://www.cannabislegal.de/cannabi...] in den USA verboten worden war . 1941 stellte Ford den Prototypen seiner Vision vor: "Das Auto, das vom Acker wächst". Die Kunststoff-Karosse war aus Pflanzenfasern und der Motor lief mit Hanföl oder mit Ethanol, aus Pflanzen gewonnenem Biosprit. Mit großem Werbegetöse präsentierte Henry Ford sein Zukunfsauto, doch schon Ende 1941 wurde die Werbung und die Weiterentwicklung eingestellt. Der Hintergrund dürften aber weniger mit dem Ausbruch des 2. Weltkriegs zu tun gehabt haben, mit dem der bekennende Hitler-Fan und fanatische Antisemit Henry Ford politisch ins Abseits geraten war - auch Standard Oil, General Motors (GM), DuPont und andere Groß-Industrielle machten mit den Nazis beste Geschäfte [http://www.wealth4freedom.com/Elkho...], GM und DuPont gründeten mit der IG Farben unter anderem die "Ethyl GmbH" zur Gewinnung alternativer Kraftstoffe. Das Verschwinden von Fords "Pflanzenauto" hatte viel mehr mit dem grundsätzlichen Konflikt zwischen Agrarkultur und Industrialisierung und den "Faserkriegen" der 20er und 30er Jahre zu tun, wie sie der Historiker Dave West sie am Beispiel des "Kriegs" zwischen der Baumwoll- und der Hanfindustrie beschrieben hat ("Fiberwars") [http://www.gametec.com/hemp/fiberwa...].
- Das Auto das vom Acker wuchs:
- HenryFord traktiert zu Werbezwecken sein "Hemp-Car" (1941)
Bild: www.hempplastic.com
Ab Mitte des 19 Jahrhunderts war Hanf als wichtigster Faserlieferant von der Baumwolle überholt worden, die sich einfacher gewinnen und verarbeiten ließ, doch dank neuer Ernte- und Verarbeitungsmaschinen schickte sich die Hanfindustrie ab Ende der 20er Jahre an, zu ihrer alten Bedeutung zurückzufinden. "A billion dollar crop" - eine neue Milliardenernte aus der "besten Nutzpflanze, die man sich wünschen kann" versprach das führende Technikmagazin "Popular Mechanics" und berichtete von den über 25.000 Produkten - "von Dynamit bis Cellophan" - die sich aus dem schnellwachsenden und zellulosereichen Rohstoff herstellen lassen. Doch erschien der Artikel Anfang 1938 leider zu spät, wenige Monate später kam durch das Hanfverbot in den USA der Anbau zu Erliegen.
- Ford und sein Bio-Auto in "Popular Mechanics" (1941)
- Bild: www.johnnymarijuanaseed.com
Gegen grüne Konkurrenz vom Acker - die Prohibition
Die vielfältigen Gründe, die zu dem Verbot der Hanfpflanze führten, habe ich mit Jack Herer in "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf" (1993/2004) [http://www.zweitausendeins.de/artik...] ausführlich beschrieben - im Zusammenhang mit Diesels Pflanzenöl-Konzept und Fords "Auto vom Acker" sind hier vor allem die industriellen Strippenzieher interessant: finanziert wurde das für die Hanfverfolgung gegründeten "Federal Bureau of Narcotics" (FBN) - die heutige "Drug Enforcement Agency" (DEA) - unter anderem mit einem großzügigen Scheck von DuPont, der auch mitten in der Wirtschaftsdepression eine große Propagandakampagne gegen das nun als "Mörder der Jugend" apostrophierte Kraut ermöglichte. DuPont hatte gerade die aus Erdöl gewonnene Kunstfaser (Nylon) marktreif gemacht und träumte in seinen Geschäftsberichten von einer Welt "ohne Naturfasern" - eine wieder erwachende Hanfindustrie paßte da ebenso wenig ins Konzept wie Fords erfolgreiche Versuche mit Kunststoffen und Kraftstoffen aus Pflanzenmaterial. Dass neben DuPont der zeitweilige Finanzminister und Banker der Ölmagnaten Andrew Mellon sowie der Pressezar, Papierhersteller und Waldbesitzer Randolph Hearst zu den wichtigsten Betreibern der Hanfprohibition gehörten, überrascht nicht: sowohl als Energiepflanze als auch als Lieferant für Papier stellt Hanf eine überzeugende Alternative zu Erdöl bzw. Holz dar. Mit dem Schlagwort "Marijuana" freilich - weil dem guten alten "hemp" derlei mörderische Qualitäten niemand abgenommen hätte wurde das mexikanisches Slang-Wort in die amerikanische Sprache eingeführt - sowie den dazu frei erfundenen Horrorassoziationen von Wahnsinn, Mord und Vergewaltigung, die man seinen Konsumenten - meist Latinos und Schwarzen - zuschrieb, fuhr das FBN eine der erfolgreichsten Propaganda-Kampagnen der Moderne. Ihr Leiter Harry Anslinger [http://www.brugerforeningen.dk/bfny...] wurde später in das neue gegründete Drogenbüro der UNO befördert, wo er für die weltweite Verbreitung der Hanfprohibtion sorgte. Damit wurde die nützlichste Pflanze des Planeten für über ein halbes Jahrhundert zur "flora non grata" und geriet in Vergessenheit - ebenso wie die Alternativen der Autopioniere Diesel und Ford. Nachdem die Preise an den Zapfsäulen seit einigen Jahren beharrlich vor Augen führen, dass das Ölzeitalter zu Ende geht, werden nun nicht nur diese alten Visionen wiederentdeckt - auch die fast ebenso alte Hanfprohibition neigt sich zumindest in Europa ihrem Ende zu.
Die Revolution im Tank
Neben dem Motorenbetrieb mit reinem oder chemisch verändertem Pflanzenöl existiert noch eine weitere Methode der Kraftstoffgewinnung aus Pflanzen, mit der auch Henry Ford schon experimentierte und bei der durch die Verbrennung von Pflanzenmaterial ein flüssiges Gas) gewonnen wird. Diese BtL - ( "Biomass to Liquid") Kraftstoffe genannten Produkte benötigen als Ausgangsprodukt nur trockene Biomasse, also Wald,- und Landwirtschaftsreste und Bioabfälle aller Art. Der weltweit erste dieser Biomasse-Reaktoren entsteht jetzt inSachsen [http://www.welt.de/data/2005/08/16/...] , einen weiterer soll in Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden. Der "Sundiesel" genannte Kraftstoff, den die Betreiberfirma Choren [http://www.choren.com/de/energy_for...] ab 2007 liefern will, ist trotz der Herstellungskosten von ca. 50 Cent pro Liter bei den derzeitigen Benzinpreisen konkurrenzfähig, da die Mineralölsteuer bei Biokraftstoffen entfällt - und hat darüberhinaus weitere gravierende Vorteile gegenüber herkömmlichem Diesel: er ist aromaten-und schwefelfrei, nahezu CO-2-neutral und verfügt wegen seiner höheren Cetan-Zahl auch über ein besseres Zündverhalten. Die geplanten Großanlagen sollen 1 Million Tonnen Biomasse pro Jahr verarbeiten, wobei die Versorgung dieser Anlagen vorerst kein großes Problem darstellen sollte - allein die 40 Millionen Tonnen Stroh, die jährlich auf deutschen Landwirtschaftsflächen untergepflügt werden, könnten 4 Millionen Tonnen Sundiesel - 14 % des Gesamtbedarfs - liefern. Auch die Nutzung von Abfällen der Waldwirtschaft und des jährlichen Holzuwachses könnte bedeutend zur Entkoppelung vom Rohöl beitragen: würden 50% davon zu Sundiesel verarbeitet, so hat Prof. Scheffer vom Insitut für Nutzpflanzenforschung der Uni Kassel ("Biomasse -gespeicherte Sonnenenergie")[http://www.fv-sonnenenergie.de/publ...] berechnet, würden weitere 2,5 Millionen Tonnen Kraftstoff hinzukommen. Allein diese "Resteverwertung" der Bioabfälle von Wald und Feld könnte theoretisch also schon 20% des gesamten Krafstoffverbrauchs decken. Darüberhinaus bieten sich, eine flächendeckende Versorgung mit solchen Bio-Raffinerien vorausgesetzt, die stillgelegten Agrarflächen zur Energieproduktion an - und hier kommt erneut die Hanfpflanze ins Spiel, der am schnellsten wachsende einheimische Rohstoff. Hanf wächst in 100 Tagen über vier Meter hoch und produziert mehr Biomasse pro Hektar als jede andere heimische Pflanze - selbst unter normalen Umständen sind es je nach Sorte und Standort ca.12- 15 Tonnen Trockenmasse, was 3000 - 4000 Litern Kraftstoff entspricht. Unter für die Energiegewinnung optimierten Methoden und in Kombination Vor-oder Folgefrüchten läßt sich sogar noch ein deutlich höherer Energieertrag pro Hektar und Jahr erzielen. Andere in Frage kommende "Energiepflanzen" wie Zuckerhirse, Chinagras, Eukalyptus und weitere schnellwachsende Hölzer sind zwar, was den Biomassezuwachs betrifft, gleichwertig oder sogar überlegen, bringen aber zumal bei großflächigen Anbau in Monokulturen ökologische Nachteile mit sich. Hanf indessen eignet sich hervorragend als Zwischenfrucht auf jedem für den Nahrungspflanzenanbau genutzten Acker, da er keine Pestizide oder Herbizide benötigt und die Böden optimiert - und ist auch im großflächigen Anbau auf einem Teil der 12 Millionen Hektar Agraflächen in Deutschland als Energielieferant geeignet. Sowie, ganz nebenbei, als Rohstoff der 25.000 anderen Produkte, die sich daraus gewinnen lassen.
"Der grüne Staatssekretär im Berliner Landwirtschaftsministerium setzt große Hoffnungen auf alle möglichen Varianten von Biosprit. Sprit von deutschen Äckern - welch glänzende Aussicht wäre das für seine Landwirte.Berninger hat ausrechnen lassen, auf wie viel der knapp zwölf Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche sich Rohstoffe für Sundiesel anbauen ließen: auf immerhin rund zwei Millionen Hektar. Selbst wenn die Bauern strengste Umweltvorschriften beachteten, könnten sie genug Rohstoffe für ein Viertel des deutschen Dieselverbrauchs erzeugen, haben Berningers Fachleute den Staatssekretär wissen lassen. Weitere Sundiesel-Chargen ließen sich im Ausland herstellen." (Revolution im Tank) [http://zeus.zeit.de/text/2004/29/Sunfuel] Bricht mit dem Ende des Ölzeitalters [http://www.peakoil.de/] nun das Zeitalter der Biorohstoffe und ihrer immer noch verbannten Königin Cannabis sativa an ?
Theoretisch stellen Sonne, Wasser und Pflanzen alles bereit, was die Menschheit zum Überleben braucht - und was die Pioniere Diesel und Ford betrifft ist es leicht vorstellbar, dass der gesamte Verkehr heute nahezu öl-unabhängig und CO-2-neutral laufen könnte, hätten sie sich mit ihren Visionen seinerzeit durchgesetzt. Ob es nun einer Verschwörung der Öl-und Chemieindustrie oder dem Sieg der Petro- über die Agrar-Industrie geschuldet ist, dass es fast 100 Jahren dauern mußte, bis diese Ideen in die Praxis umgesetzt werden, ist nur noch für Historiker interessant - für die Zukunft ist allein von Relevanz, wie gut und wie schnell sie umgesetzt werden.
Wenige Tage nachdem unser Buch "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf" 1993 erschienen war erhielt ich den Anruf einer Agrargenossenschaft, die in Brandenburg wieder Hanf anbauen wollte und bereit war, gegen das damalige Verbot zu klagen. Es dauerte drei Jahre und vieler Instanzen und Gutachten bis die Kohl-Regierung vor dem Oberverwaltungsgericht endlich klein bei gab und der Anbau von Hanf in Deutschland wieder möglich wurde. Seitdem können Landwirtschaftsbetriebe wieder Genehmigungen (und EU-Förderung) erhalten, wenn sie zugelassene Hanfsorten - mit einem sehr geringen Gehalt des psychoaktiven Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) - anbauen und einen Abnehmer für die Hanfernte benennen könne. Da Verarbeitungsanlagen in Deutschland nicht mehr vorhanden waren - die letzte Hanffabrik der DDR hatte kurz vor der Wende den Betrieb eingestellt - dauerte es einige Jahre, bis eine bescheidene Produktion wieder in Gang kam. Die etwa 1.800 Hektar Hanf, die 2004 angebaut und zu Fasern aufbereitet wurden, finden ihre Abnehmer vor allem in der Autoindustrie, sowie als Dämmstoffe [http://www.thermo-hanf.de/] im Hausbau. Hanfsamen sind wegen ihres wertvollen Öls als Lebensmittel begehrt, Hanfbrot und Hanföl sind in Naturkostläden wieder fast überall erhältlich, ebenso wie kosmetische Produkte, die mittlerweile sogar bei internationalen Ketten wie "The Body Shop" wieder im Programm sind. Die Wiederentdeckung des Hanfs hat also im vergangenen Jahrzehnt durchaus stattgefunden, aber kaum mehr, das universelle Potential dieser Pflanze ist mit diesen ersten Schritten nicht einmal ansatzweise erschlossen, wobei die Nutzung als Biomasse und Energiepflanze nur ein Aspekt ihrer vielfältigen Perspektiven ist. Behindert und erschwert wird eine solche Entwicklung jedoch durch die im Rahmen des "war on drugs" immer noch geächteten Blüten und Harze des Hanfs (Marijuana und Haschisch), die dafür sorgt, das Hanfanbau in Ländern wie den USA nach wie vor gänzlich verboten und hierzulande mit vielen bürokratischen Hindernissen und Kontrollen verbunden ist. Das 2Mörderkraut"-Image, das der erste Drogenzar Harry Anslinger dem Hanf erfolgreich anheftete und das seitdem mit immer neuen updates gepflegt wird, ist in ins öffentliche Bewußtsein tief einprogrammiert und wird mit den milliardenschweren Etats des "war on drugs" nach Kräften finanziert - jede positive Erwähnung von Cannabis als Nutzpflanze oder Medizin wird von Prohibitionseifereren als "Verharmlosung" gesehen. Auch die willfährigen Wissenschaftler der "Reefer Madness"-Ära der 30-er, die den Horrormeldungen über das Mörderkraut akademische Autorität verleihen, sind nicht ausgestorben, wie etwa der Hamburger Psychiatrieprofessor Rainer Thomasisus, der beklagt "daß durch positive Meldungen über Cannabis und andere Rauschmittel dieseerst richtig hoffähig gemacht werden" [http://www.wams.de/data/2005/08/28/...]. Ganz in diesem Sinne äußert sich immer wieder auch das vom US-Prohibitionsgeist dominierte UN-Drogenbüro in Wien, das u.a. Warnungen vor Textilien, Kosemtika und Lebensmittel aus Hanf verbreitete, weil die darauf abgebildeten Hanfblätter den Drogenkonsum verharmlosen würden.
Der irrationale Krieg, der gegen Hanf als Rausch-und Genußmittel immer noch geführt wird, behindert so nicht nur seine wirkliche Wiederkehr als universeller Biorohstoff, sondern schneidet der Renaissance einer Hanfindustrie auch die eigene Finanzierungsquelle ab: allein die legale Nutzung THC-reicher Hanfblüten für Arznei-und Genußmittel würde der Hanfpflanze ökonomisch das Milliardenpotential erschließen, das jetzt dem Schwarzmarkt zufällt - und damit ein Steuereinkommen mit dem neben einer schadensmindernden Präventionspolitik im Drogenbereich auch der Aufbau einer nachhaltigen Hanfwirtschaft finanziert werden könnte. Zur Versorgung des gesamten bundesdeutschen Markts mit Marijuana und Haschisch würde die Fläche eines mittleren Landguts (100 - 200 Hektar) ausreichen und da auch THC-reiche Hanfblüten im Freiland keine höheren Gestehungskosten haben als etwa Kartoffeln könnte darauf ein Steuereinkommen von ca. 2 Milliarden EU per anno erzielen. Auf diesen Betrag jedenfalls schätzt der Deutsche Hanf Verband [http://www.hanfverband.de/themen/fi...] die gesamten staatlichen Einnahmen, die eine geregelte Cannabis-Abgabe und der Wegfall der Repressionskosten mit sich bringen würden.
Es gibt viel zu tun, pflanzen wir’s an!
"Peak Oil2 bedeutet nicht nur, dass die Sucht nach Öl, der "Droge Benzin" [http://www.welt.de/data/2005/09/10/...] auf alternative Substanzen umgestellt werden muß, das Ende des Ölzeitalter hat auch unmittelbare Auswirkungen auf das Lebensmittelregal, denn wir verfahren und verheizen nicht nur Öl, wir essen es auch ("Eating Fossil Fuels")[http://www.fromthewilderness.com/fr...] Doch auch hier bietet Hanf , der wegen seiner eiweißreichen Samen im alten China zu den Getreidesorten gezählt wurde, eine überzeugende Alternative, die emeritierten Professoren Eidleman und Hamilton der Universität Kalifornien behaupten sogar, dass "mit Hanf die Ernährungsprobleme der Welt im Handumdrehen zu lösen sind." Auch wenn das mit dem "Handumdrehen" vielleicht zu euphorisch ist, dass Hanf auch dieses Potential hat, ist aus den Not-und Hungerzeiten vergangener Jahrhunderte gut dokumentiert. Auch weil mit einem Ende des Ölzeitalters nicht zuletzt wieder solche Zeiten auf den Planeten zukommen, scheint eine vollständige Rehabilitierung und großflächige Renaissance des Hanfs unausweichlich. Cannabis ist keine Wunderpflanze und kann die Welt nicht retten, aber sie weist in alle drängenden Fragen - ökonomisch, ökologisch, sozial & spirituell - in die richtige Richtung. Keine andere Pflanze auf diesem Planten kann so universell genutzt werden wie Hanf, weshalb er fast überall auf der Welt als heilige Pflanze verehrt wurde; Hanf war, so der Botaniker William Embodden, "die Milch der Götter an der Wiege der Zivilisation". Nach einem Jahrhundert, das sich vom schwarzen Gold abhängig gemacht hat, um mobil zu werden, gilt es sich zu erinnern, dass weder Mobilität noch Industrialisierung darauf wirklich angewiesen sind - mit den Worten des Auto,- und Industriepioniers Henry Ford: "Warum noch Wälder verbrauchen, die Jahrhunderte zum Entstehen brauchen und jahrzehntelang Minen graben, wenn wir dieselbe Menge von Holz und Mineralprodukten aus der jährlichen Ernte von Hanffelder gewinnen?"
Dass es 100 Jahre dauern mußte, bis diese Botschaft langsam ernst genommen wird, hatte seine Gründe in industriellen Machtkämpfen, prohibitionistischem Eifer und der allgemeinen Dummheit der Gattung homo sapiens. Als domestizierte Primaten und Gewohnheitstiere reagieren sie auf ein Problem erst dann, wenn es ihnen wirklich auf dem Pelz brennt - und erstaunlicherweise scheint auch diese Trägheit und Angst vor Veränderung etwas mit Cannabis zu tun zu haben. Die erst Ende der 80er Jahre entdeckten Cannabinoid-Rezeptoren (CB1/CB2) und die vom Körper selbst produzierte Cannabis-Wirkstoffe (Anandamide) haben neueren Studien zufolge nicht nur für den Stoffwechsel aller höheren Lebewesen zentrale Bedeutung - sie steuern das "Futter & Fütter-System" - sondern auch für die Anpassungsfähigkeit. Mäuse, deren CB1-Rezeptoren blockiert werden, reagieren auf Veränderung wie das Umsetzen im Käfig erregt und angstvoll, werden sie wieder in die alte Umgebung gesetzt, entspannen sie sich sofort. Robert Melamede kommentierte diesen Zusammenhang: "Ich frage mich ob manche Leute, besonders "Drogenkrieger", vielleicht auch einen blockierten CB-1-Rezeptor haben und sich deshalb jeder Veränderung widersetzen - während Leute wie wir, mit einem unblockierten CB-1-Rezeptor, die Vorteile genießen, viel entspannter sind und keine Angst vor Veränderungen haben (..) Cannabinoide kontrollieren wie wir die Zukunft sehen. Wenn du mit schlechten Erfahrungen erfüllt bist, hast du Angst vor der Zukunft. Mit reichlich Cannabinoide[n dagegen willst du in der Zukunft sein. Unfähigkeit zur Veränderung gegen freudige Begrüßung der Zukunft und des Wechsels." Dr. Robert Melamede, der das schreibt, ist kein hanfbeseelter Althippie, sondern der Leiter des Biologie-Departments der Universität Colorado, der in einem "Info über Cannabinoide" [http://www.chanvre-info.ch/info/de/...] den neusten Stand der Erforschung des Cannabinoid-Systems und zusammenfaßt. Eines Systems, das 600 Millionen Jahre alt ist und eine entscheidende Rolle bei der Evolution höherer Lebensformen spielt.
"Es stimmt nicht, dass gegen die Dummheit kein Kraut wächst. Es wird nur keines angepflanzt", hatte schon Georg Christoph Lichtenberg notiert. Wo "Peak Oil" uns nun zwingt, die Dummheit der Ölabhängigkeit zu überwinden, sollte es an der Intelligenz, auf Hanf zu setzen, nicht mehr lange fehlen. Es gibt viel zu tun, pflanzen wir’s an!
Mathias Bröckers, September 2005
Literatur:
Mathias Bröckers/Jack Herer/Katalyse-Institut: "Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf", Verlag Zweitausendeins, 1993, 40. Auflage 2004
Mathias Bröckers: "Cannabis" Hanf-Hemp-Chanvre-Canamo, AT-Verlag, 2003
Mathias Bröckers (Hrsg.), Lynn Zimmer, J.P.Morgan: "Marihuana Mythen -Marihuana Fakten", Nachtschatten-Verlag 2004
Bildquellen: www.daimlerchrysler.com: www.inaro.org: www.hempplastic.com; www.johnnymarijuanaseed.com